2005
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you are so beautiful

Wang FU
"you are so beautiful"

 

 

Wang FU
*1960 in Shi-ja-zhong, VR China, arbeitet in Berlin und Stuttgart

Du bist so schön, heißt es seit Kurzem auf dem Sindelfinger Rathausplatz. Im Rahmen des Projekts ‚1 site 2 places’ hat der chinesische Künstler Wang Fu den ausgedienten Informationspavillon der Stadt im Auftrag von KUNST+PROJEKTE Sindelfingen e.V. neu inszeniert. (Das Projekt ‚1 site 2 places’ (seit 2001) spielte bis zum Abgesang der ‚3 Welten AG’ des Konzerns DaimlerChrysler die monokulturelle Prägung der Stadt Sindelfingen durch die Autoindustrie an (1 site) in Beziehung zu anderen Städten der Welt-AG mit vergleichbarer Prägung, wie Detroit USA; Nagoya Japan; Ulsan Korea (2+ places)).

Auf weißen Stoffbahnen, von einem leichten Luftzug bewegt und von Schwarzlicht je nach Tageszeit in ein mehr oder weniger kühles Blau getaucht, hat Wang Fu den Schriftzug „You are so beautiful“ schwungvoll in roter Leuchtfarbe gemalt. Ein Kompliment an das Sindelfinger Rathaus könnte man meinen, dem die Inszenierung, einem Spiegel gleich, zugewandt ist. Man fühle sich geschmeichelt! Der Künstler, auf diese Spiegelmetapher angesprochen, lächelt vergnüglich: “Nur Damen schauen doch so in den Spiegel“.

Die neue Inszenierung ist leicht, luftig, bewegt. Wang Fu nimmt Gewicht weg von den Fakten des Lebens, die die Welt so schwerfällig machen, dass sie im Begriff ist, ganz zu versteinern. Wie kann man diesem Schicksal begegnen? Unsere europäische Kultur hat hierfür mythische Bilder geschaffen: Um den Kopf der Medusa, diesem Scheusal mit seinem unerbittlichen Blick, abzuschlagen, ohne dabei zu versteinern, hält Perseus sich an das Allerleichteste, an die Winde und Wolken und richtet seinen Blick auf das, was sich ihm nur in einer indirekten Sicht enthüllen kann, als Bild in einem Spiegel.

 


Das poetisch-poppige Statement mag Brücken schlagen zwischen der europäischen Kultur und der chinesischen Tradition, wie eine zweite Arbeit im Pavillon anspielt. Schriftfäden, wehenden Drachenschwänzen gleich, schwingen luftig ineinander. Auf schmale, von der Decke hängende Stoffstreifen hat Wang Fu in Kapitalbuchstaben, die von Ferne wie Schriftzeichen leuchten, Zeilen von Goethe, Schiller und der chinesischen Klassik gemalt. Eine leicht gemachte Sprache, bei der die Bedeutungen so lange auf einem schwerelosen Gewebe befördert werden, bis sie zu klingen beginnen: ...“Freude heißt die starke Feder / In der ewigen Natur / Freude, Freude treibt die Räder / In der großen Weltenuhr /.../ Am Ostzaun pflücke ich die Chrysanthemen / und schau nach Süden, wo die Berge ragen“... Der Sinn steckt im Rhythmus. Die Zeilen wollen laut gelesen werden, ja auswendig gelernt und mündlich vorgetragen, weil so ein Gedicht im tiefsten Sinn immer ein Ereignis ist.

In Schillers Vokabular treten die Worte „Freude“ und „Hoffnung“ hervor.

Sprache, Erziehung, Klassik sind die Qualitäten, die Wang Fu in die Dynamik fortdauernder Gegenwart holt. „Eine bessere Welt ist möglich“, betitelte er jüngst eine Ausstellung.

Burgbacher-Krupka